Aktuelle Auswirkungen des niedrigen Leitzinses auf Lebensversicherungen

Normalerweise werden Kunden nach Auslaufen der Police an der Reserve beteiligt, die die Versicherer in der Zwischenzeit angehäuft haben. Doch das soll sich bald ändern: Die Regierung plant eine Reform […]

Normalerweise werden Kunden nach Auslaufen der Police an der Reserve beteiligt, die die Versicherer in der Zwischenzeit angehäuft haben. Doch das soll sich bald ändern: Die Regierung plant eine Reform dieser Praxis und will keine Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven mehr, um die Konzerne zu entlasten. Langfristig werden so die niedrigen Zinsen der Europäischen Zentralbank die Sparer eine Menge Geld kosten. Und zwar deutlich mehr, als Experten bislang vermutet haben. In manchen Fällen kann es sich daher lohnen, seinen Vertrag jetzt zu kündigen.

66 Milliarden Euro Reserven der Versicherer

versichert„Es besteht akuter Handlungsbedarf bei den Lebensversicherungen“, sagte Michael Meister der Zeitung „Die Welt“. Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende sieht auch bei der SPD Bereitschaft zur Veränderung: „Die Folgen der niedrigen Zinsen für die Altersvorsorge wird auch der Koalitionsvertrag aufgreifen.“ Denn es stellt sich die Frage, wem die Bewertungsreserven der Versicherer, die auf mehrere Milliarden geschätzt werden, eigentlich gehören. Nach jetzigem Recht wären Kunden mit auslaufenden oder gekündigten Verträgen daran zu 50 Prozent beteiligt, natürlich gerechnet auf ihren Anteil. Das bedeutet aber, dass es sich manchmal lohnen kann, die Police frühzeitig zu kündigen. Denn die Reserven haben eine Höhe von 66 Milliarden Euro.

Hohe Reserven dank niedriger Zinsen

Interessanterweise sind die niedrigen Zinsen der Grund für die hohen Reserven: Ein älteres Papier, das noch garantiert höher verzinst ist, ist heute im Wert an der Börse gestiegen. Bundesanleihen zum Beispiel sind so sehr an Wert gestiegen, dass die Papiere teilweise um 50 Prozent teurer gehandelt werden, als die Versicherungen sie früher eingekauft haben. Die Versicherung besitzt also in diesem Fall eine Reserve von 50 Prozent. Doch die Assekuranzen müssen diese Gewinne zur Hälfte mit den Kunden teilen, ob sie die im Wert gestiegenen Papiere noch halten oder nicht. Zur Zahlung sind die Versicherungen bei Fälligkeit der Versicherung verpflichtet.

Oft können hohe Nachzahlungen erwartet werden

Auch für den einzelnen Sparer sind das durchaus achtbare Beträge, die herauskommen können. So sagte der Rechtsanwalt Johannes Fiala oben genannter Zeitung: „Bei einem Lebensversicherungsvertrag, der 30 Jahre lang mit monatlich 200 Euro bespart wurde, kann die Ablaufleistung dank Bewertungsreserven durchaus um 20.000 auf über 130.000 Euro steigen.“ Den Versicherungen sind diese Zahlungen natürlich ein Dorn im Auge, brauchen sie das Geld doch eigentlich, um für die nächsten Jahre vorbereitet zu sein. Denn wenn die Zinsen so niedrig bleiben sollten wie jetzt, sind die Versicherungen unter Umständen bald auf die Geld-Reserven angewiesen.

Die Versicherer wollen die Rücklagen behalten

versicherungVersprachen Versicherungen den Kunden in den 90er-Jahren noch eine Rendite von mindestens vier Prozent, wird es jetzt immer schwieriger, solche Beträge zu erwirtschaften. Zudem schwanken die Rücklagen der Konzerne stark. Deshalb kämpfen die Versicherer dafür, die Beteiligung der Anleger an den Rücklagen zu stoppen. „Eine schnelle politische Lösung für eine Neureglung der Bewertungsreservenbeteiligung ist notwendig“, wird der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft zitiert. „Die aktuelle Entscheidung der EZB, die Zinsen erneut zu senken, unterstreicht die Dringlichkeit.“Auch die Sozialdemokraten wollen eine schnelle Lösung, wie etwa der stellvertretende finanzpolitische Sprecher Manfred Zöllmer sagt. Sollten die Zinsen weiter so niedrig bleiben, dann befürchtet er eine Verschärfung der Problematik mit den Reserven.

Die Kündigung des Vertrags kann sich lohnen

Kunden hingegen können von der derzeitigen Lage profitieren. Denn wer schnell genug den Vertrag kündigt, kann noch vom Bonus profitieren, besonders jene, deren Versicherungen bald auslaufen. Der Abschluss eines neuen Vertrags ist allerdings umstritten. Große Versicherer verkaufen schon Verträge ohne Zinsgarantie: das ist neu in der Geschichte. „Verbraucher können sich nicht darauf verlassen, in Zukunft eine angemessene Verzinsung zu erhalten“, sagte etwa Niels Nauhauser, Mitarbeiter der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg dem Magazin „Focus“ und rät davon ab, jetzt neue Policen abzuschließen.

In manchen Fällen kann sich auch ein neuer Vertrag lohnen

Anderer Meinung ist hingegen Carsten Zielke, ein Versicherungsberater aus Aachen. Doch er beschreibt einen etwas anderen Fall: „Ein Neuabschluss rentiert sich bei Versicherungsunternehmen mit einer diversifizierten Kapitalanlagepolitik“, sagte er oben genanntem Magazin. Empfehlenswert seien Versicherer, die in besonders viele Bereiche investieren würden, wie etwa Aktien, Firmenanleihen oder Immobilien. Denn dadurch könne zum einen die Rendite stabilisiert werden, zum anderen werde das Risiko relativ gering gehalten. Manche Unternehmen stellen im Internet offensiv ihre Anlagestrategien dar und helfen so den Kunden, sich ein Bild zu machen. Doch der Experte gibt zu bedenken, dass das oft jene Versicherungen seien, die eh gut im Markt verankert seien und keine Probleme hätten.